Stimmungsschwankungen

“Well, what if there is no tomorrow? There wasn’t one today.”

Moskau…

one comment

… wie es sonst so ist

Moskau fetzt. Ich mag die Stadt. Ich kann nicht sagen, dass sie meine Lieblingsstadt ist oder besonders liebenswert. Da würde ich mich eher für Berlin, Paris oder London entscheiden. Ich mag Moskau, weil es pulsiert, weil man das Gefühl hat, gleich explodiert die Stadt.

Auch wenn es Anhaltspunkte genug gibt – ich war da, als es Anschläge in U-Bahn-Stationen gab, als die Beslan-Geiselnahme gerade vorüber war, als beinahe jeder, den ich getroffen habe, irgendeine Art von Paranoja schob und ich eine kleine mit nach Hause nahm – sie explodiert ja nicht wirklich, die Stadt. Vielleicht mal ein, zwei Häuser.

Sie sprengt vielmehr ihren Rahmen. Die Stadt ist maßlos. Das ist es, was mir gefällt. Es mag merkwürdig klingen, aber wenn ich vom Flughafen Domodedevo mit dem Zug reinfahre, sehe ich rechts und links hohe, anonyme Neubauten. Sie wachsen, sie breiten sich aus wie Pilze. Ich mag das, das Gefühl, sich zu verlieren in einer Gegend, klein zu werden angesichts dieser Massen an Beton, an Platz, eigentlich gar nicht mehr da zu sein und gleichzeitig hoch in den Himmel zu können, wenn ich nur den Fahrstuhl nehme.

Selbstverständlich gibt es auch normale, touristische Sehenswürdigkeiten. Meine liebsten: der Gorki-Park, die Tretjakow-Galerie, die Kreml-Ausstellung, die Metro, die Basilius-Kathedrale, der Ausblick vom Sperlingshügel, das Bolschoi-Theater, Lenin im Mausoleum. Wobei ich gehört habe, dass jeder, der dort hineingeht, einen Dämon mit nach Hause nimmt. Und da beinahe das ganze Land schon einmal Schlange stand, um sich den wächsernen Lenin anzuschauen, so sagte man mir, ist es auch kein Wunder, dass es heute in Russland zugeht, wie es zugeht. Es gibt noch mehr zu sehen, aber da sollte sich jeder selbst ein Bild von machen.

Neben vielen anderen gibt es eine Sache, die ich an Moskau besonders pervers finde: Wenn man auf den Roten Platz möchte, vorher entweder einkaufen war im Ochotnij Rjad oder sich das Ewige Feuer und die Wachablösung angeschaut hat, geht man durch ein Tor. Vor diesem Tor ist im Boden eingelassen eine glänzende Platte mit, ich bin mir nicht ganz sicher, eingravierten Sternzeichen. Daneben Stände, die Tonnen an Matrjoschkas, Soldatenmützen, Pelzfakes und Orden verkaufen.

Mit dem Rücken zur Platte stehen Touristen. Sie werfen Rubelmünzen oder Kopeken über die Schulter. Hinter ihnen stehen Bettler, zumeist weiblich, meistens älter und fangen die Münzen oder sammeln sie auf. Ich ekel mich und gucke weg.

Was mir ansonsten nicht gefällt: Lärm, Menschenmassen, schmutzige Luft.

Aber, wie gesagt, Moskau fetzt.

Written by Christina

Juni 9th, 2008 at 9:52 am

One Response to 'Moskau…'

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  1. Hi Christina! Ich habe jetzt also eine Dämon. So so. Jetzt weiß ich, warum ich seit Tagen Schulterschmerzen habe. Scheint wohl ein besonders fetter Dämon zu sein. 😉
    Woher hast du diese Geschichte denn??

    Das mit dem Münzen über die Schulter werfen haben wir auch beobachtet. Wir dachten erst, es wäre eine Tradition von Abschlussklassen, da die Gruppe Jugendliche alle dieselben Schleifen (oder so was) an der Jacke hatten.
    Es ist schon sehr beschämend, am einen Ende die Kids und am anderen Ende die Bettler. Und welch ein Gejohle, wenn die Bettler die Münzen aufsammeln.
    Wir waren auch sehr verwirrt über diesen „Brauch“.

    Claudia

    10 Jun 08 at 18:53

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