Stimmungsschwankungen

“Well, what if there is no tomorrow? There wasn’t one today.”

Russischer Eiertanz

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Meine neue alte Wohnung

Ich wohne und ich lebe noch – um mit den abgewandelten Worten eines weisen Schweden zu sprechen. Und ich habe meine Seele dem Teufel verschrieben. Mehr oder weniger. Vor etwa drei Tagen hätte ich aus meiner Wohnung ausgezogen sein müssen. Wären da nicht die Nacht bei Magdalena und das eine Glas Bier zu viel gewesen.

In Vorbereitung auf den bevorstehenden Umzug in die Wohnung meiner lieben Kollegin schlafe ich bei ihr. Eine Nacht zur Probe. Magdalena hat eine Katze: Madmoiselle Mieze. Madmoiselle ist nachtaktiv. Ich liege auf dem schmalen Gästediwan, es ist ruhig und Mieze spielt fangen. Ich besetze ihren Platz. Mir gegenüber träumt Magdalena von Moosbeeren und gelbem Sanddorn. Ihre weiße Katze sitzt auf meinem Bauch und starrt mich an. Als ich nach ihr greifen will, springt sie vom Bett, joggt ein paar Runden durch die Küche, scharrt im Katzenklo und kehrt zurück, um sich unter meiner Decke zu vergraben. Nachts sind alle Füße grau und sehen aus wie Mäuse. Autsch. Sie schmecken nur nicht so. Deswegen verlegt sich die Dame irgendwann auf Sprungübungen vom Bett. Hinab. Hinauf. Hinab. Hinauf. Für mich ist das wie Schafe zählen. Ich schlafe ein und wache erst wieder auf, als Magdalena Tee kocht.

Ihr Wohnung ist so groß wie meine: Ein Zimmer, eine Küche, ein Bad. Ihre Wohnung ist neu und hat eine Heizung, die sich regulieren lässt. Die Tapete an ihren Wänden – blaue Blümchen und Streifen auf weißem Hintergrund – löst sich noch nicht vom Untergrund und ist abgestimmt mit dem Muster ihrer Gardinen. Auf Dauer wirkt sie wie ein schlechter Trip – sagt Magdalena selbst. Kurze Aufenthalte in diesem Interieur sind schon sehr gemütlich. Mieze schnurrt mich an. Ich ignoriere sie fürs erste.

Ich schlürfe Tee und denke: In meiner Wohnung ist es doch schön. Der Gedanke setzt sich fest. Er wispert durch meinen Hirnwindungen, als ich, wieder zurück, anfange zu packen. Er flüstert in mein Ohr als ich die Küche aufräume und überlege, welches Geschirr ich mitnehmen kann. Ich will den Gedanken nicht hören. Ich will nicht traurig sein. Ich will mich nicht heimatlos fühlen. Ich verabrede mich zum Bier.

Drei Stunden später: Mein Diwan ist schön breit, denke ich. Und das Fenster kann ich schon irgendwie dicht machen, denke ich. Warme Sachen für kühle Abende habe ich auch. Und: Ich kann zur Arbeit laufen, zum Kino, in die große Kirche, wenn ich will. Ich will hier bleiben, denke ich und habe die Nachricht an den Teufel schon verschickt.

Der schwarze Mann erscheint am nächsten Tag zur Mittagszeit. Wir führen einen russischen Eiertanz auf. Kreisen umeinander. Wir handeln, verhandeln meinen Kontostand, mein Seelenheil, mein Überleben in dieser Stadt. Dann stehen wir still in der Küche. Gäbe es eine Uhr, hätte sie jetzt ohrenbetäubend laut getickt. So brummt nur der Kühlschrank unwirsch ob der Störung. Vladimir der Betrunkene zieht einen Vertrag aus seiner Tasche. Als ich ihn lesen will, schneide ich mich am Papier. Der Vermieter tunkt seine Feder in die Wunde und reicht sie mir. Ich unterschreibe. Dann löst Vladimir sich in Luft auf. In drei Monaten sehen wir uns wieder. Ohne Tanzen. Und meine Heizung, die funktioniert auch wieder.

Written by Christina

Dezember 4th, 2007 at 8:17 am

2 Responses to 'Russischer Eiertanz'

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  1. Weiße Katze, schwarzer Kater und der Kater trägt einen Revolver und ist ein Scherge des Teufels…
    Alles Gute und nen schönen Advent wünscht Joachim aus Halle

    Joachim aus Halle

    4 Dez 07 at 19:25

  2. Man kann förmlich alles hören, riechen und
    sehen – so, als ob man dabei wäre –
    ein schönes Jolkafest wünsche ich

    Marlies Meißner

    6 Dez 07 at 20:28

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