Stimmungsschwankungen

“Well, what if there is no tomorrow? There wasn’t one today.”

Hundeleben

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Wenn ich aus der Metrostation „Wladikino“ komme, präsentiert sich Moskau von seiner ostigsten Seite: graue Plattenbauten ragen in den Himmel. Diese Landschaft nimmt kein Ende. An kleinen Kiosken könnte ich mich mit Alkohol eindecken und fragwürdiges Essen kaufen. Tue ich aber nicht. Ehrlich. Vor mir liegt nämlich noch ein langer Weg zum Sherstone Hostel, den ich möglichst nüchtern und gesund zurücklegen möchte. Ganz ungefährlich ist der Weg nicht. Abgesehen von den Autofahrern, die von Regeln nicht viel halten, gibt es dort nur einen rudimentären Fußweg und Hunde. Freilaufende, wilde, hungrige Hunde. Am Tag meiner Ankunft konnte ich bereits ihre Bekanntschaft machen. Einer knabberte fordernd an meinem Koffer und ließ sich auch durch lautes Knurren meinerseits nicht abschütteln. Mir blieb nichts anderes übrig als Blickkontakt zu halten und zu warten, bis er das Interesse an mir und meiner Bagage verlor. Das dauerte.

Der Hund, eine Mischung aus Schäferhund und allem anderen, was sich so auf Moskaus Straßen findet, hatte nämlich Freunde, die auf der anderen Straßenseite warteten. Auf ihn, auf mich oder auf die Frau, die regelmäßig Hundefutter an der Metrostation verteilt. Die kam wenig später und ich hatte meine Ruhe. Seitdem ignorieren mich die heimlichen Herrscher der Straße. Ich behalte sie trotzdem im Auge und sehe mit der Zeit immer mehr von ihnen.

Sie sind zahm, konnte ich feststellen, und lassen sich streicheln. Nicht, dass ich so viel Mut aufgebracht hätte. Ich denke, sie riechen, dass ich weder Futter in meinen Taschen, noch russisches Blut in meinen Adern habe. Das Risiko wäre zu hoch. Dafür kümmern sich andere um die Tiere: Alte Mütterchen oder Frauen, die ihr letztes Butterbrot an die hungrigen Mäuler verfüttern.

Manchmal auch Milizionäre. Es ist nicht so, dass die russische Polizei ausschließlich ruppig ist: Beinahe zärtlich tippte gestern ein Mann in Uniform mit seiner Schuhspitze gegen den Bauch eines Hundes, der müde seinen Kopf auf die letzte Stufe der Metrotreppe gebettet hatte. Widerwillig wedelte das Tier mit dem Schwanz und stellte sich ansonsten tot. Der Milizionär musste ein wenig intensiver insistieren. Missmutig rappelte sich der Hund auf und trottete davon. Ich taufte ihn „Penner“.

Written by Christina

Oktober 15th, 2006 at 7:15 pm

Posted in Alle,Russland