Stimmungsschwankungen

“Well, what if there is no tomorrow? There wasn’t one today.”

Botschaften vom Botschafter

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Liebe Leserinnen und Leser,

es ist ja nicht so, dass ich den Botschafterbesuch in der vergangenen Woche vollkommen verpennt hätte. Herr Schmid war in Omsk, um dort einen Unternehmer zum Honorarkonsul zu ernennen und Bruno Reiter, Landrat des deutschen Nationalrayons Asowo das Bundesverdienstkreuz erster Klasse zu verleihen. Der Herr Reiter hat sich nämlich außerordentlich verdient gemacht um den Aufbau des Rayons. So verdient, dass immer noch sieben Familien in Blechcontainern am Rand von Asowo leben müssen, während sich die Honoratioren angeblich schicke Steinhäuschen von der Regierung im fernen Deutschland haben fördern lassen. Auch so verdient, dass immerhin ein paar Alibi-Lederhosen auf der Bühne und ein bisschen deutscher Schlagersülz zu besonderen Anlässen auf die ach so teure Herkunft hinweisen. An den Schulen wird Deutsch ab der ersten Klasse unterrichtet. Von den Administrativen spricht es keiner. Aber man will ja nicht meckern. Schließlich gehts hier nicht um Kultur.

Unten das Interview mit dem Botschafter.

„Die Russlanddeutschen sind ein wichtiges Bindeglied“

In Omsk wurde Jurij Wdowitschenko zum Honorarkonsul ernannt, Bruno Reiter, Landrat des deutschen Nationalrayons Aswo, erhält das Bundesverdienstkreuz. Gewinnt das Omsker Verwaltungsgebiet an Bedeutung im Zusammenhang der Russisch-Deutschen Beziehungen?

Der Oblast Omsk gewinnt ohne Zweifel an Bedeutung. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschlands und Russland nimmt zunehmend auch die Regionen in den Blick. Der Oblast Omsk ist eine potente wirtschaftliche Region. Deswegen gibt es ein wachsendes wirtschaftliches Interesse auf beiden Seiten und die Ernennung des Honorarkonsuls ist ein Ausdruck dieses beiderseitigen Interesses. Daneben existiert im Oblast Omsk mit dem nationalen Rayon Asowo ein blühendes russlanddeutsches Gemeinwesen. Hier ist eine große Aufbauarbeit geleistet worden. Für diese Arbeit steht Bruno Reiter und für dieses Lebenswerk ist er vom Bundespräsidenten ausgezeichnet worden.

In welchen Bereichen liegt das wirtschaftliche Potential des Oblasts?

Vor kurzem ist zum Beispiel eine deutsche Großbäckerei hier aufgebaut worden. Großes Potential liegt im Aufbau und in der Zusammenarbeit im Bereich der kleineren und mittleren Industrie. Gerade in diesem Bereich können Deutschland und Russland gemeinsam viel erreichen. Über 90 Prozent der Unternehmen in Deutschland sind im Bereich der Kleinen und mittleren Unternehmen angesiedelt. und von den mehr als 5000 deutschen Firmen, die in Russland tätig sind, gehören die meisten ebenfalls zu dieser Kategorie. Nun gilt es, neue Projekte zu identifizieren und konkrete Kontakte zwischen den Unternehmen in Russland, in Omsk und in Deutschland zu fördern. Dann ist es an der Wirtschaft, diejenigen Projekte zu identifizieren, die erfolgreich sein könnten.

In Ihrer Rede zur Verleihung sagten Sie, das Bundesverdienstkreuz erhält, wer mehr leistet als andere – was hat Bruno Reiter mehr geleistet?

Vor 15 Jahren haben im Rayon Asowo etwa 1500 Menschen gelebt. Heute leben hier mehr als 15000 Leute, existiert es ein funktionierendes Gemeindezentrum und gibt es Perspektiven für die Zukunft. Viele Russlanddeutsche möchten hierher ziehen. Das Bundesverdienstkreuz wird dafür verliehen, dass jemand erheblich mehr tut als das Übliche. Das Aufbauwerk, das man hier sieht sowie die Perspektiven für die Russlanddeutschen in Russland, das ist das Mehr, welches das Bundesverdienstkreuz für Bruno Reiter begründet.

Mittlerweile siedeln wieder zwölf Familien aus Deutschland zurück nach Asowo. Hat das Einfluss auf die Förderpolitik im Rayon?

Gemeinsam mit der russischen Seite verfolgen wir seit längerem einen politischen Ansatz, der darauf abzielt, den Russlanddeutschen ein Leben in Russland zu ermöglichen und sie gleichzeitig in die Lage versetzt, auch einen Beitrag zur Entwicklung dieses Landes zu leisten. Es existieren eine Reihe gemeinsamer deutsch-russischer Programme, die wir gemeinsam finanzieren, um den Russlanddeutschen hier eine wirtschaftlich gesicherte Basis und eine Perspektive für die Zukunft zu geben. Für den Erfolg dieser Programme ist dieser Rayon ein Realität gewordenes Musterbeispiel.

Was sind diesbezüglich zukünftige Pläne?

Zum einen versuchen wir zum Beispiel das kulturelle Erbe zu bewahren, indem wir Deutschunterricht fördern und einen Beitrag zum Erhalt deutscher deutscher Kultur leisten. Daneben finanzieren wir Maßnahmen zum Ausbau der Infrastruktur: Beispiele sind eine Kläranlage oder ein Wasserwerk. Und schließlich engagieren wir uns im Bereich der beruflichen Ausbildung sehr vieler Russlanddeutscher, die es ihnen ermöglichen soll, ihr Leben hier erfolgreich zu meistern.

Welche Tendenzen sehen Sie in der Entwicklung der russlanddeutschen Kultur in Russland beziehungsweise Deutschland? Ist zum Beispiel der Rückzug aus Deutschland nach Russland ein kurzes Phänomen oder etwas Langfristiges? Wie schätzen Sie das ein?

Es ist noch zu früh zu sagen, ob wir hier von langfristigen Tendenzen sprechen können. In Bezug auf Asowo sind es zwölf Familien, die zurückgezogen sind. Die Russlanddeutschen sind ein wichtiges Bindeglied zwischen Russland und Deutschland. Sie repräsentieren eine große Zahl von Menschen, die beide Länder bestens kennen.

Versucht die deutsche Regierung über die Wirtschaftsförderung auch die demokratische Entwicklung Russlands zu fördern?

Man sollte nicht hinter allem einen Hintergedanken sehen. Die Frage der demokratischen Entwicklung ist vor allem eine Sache der Russen selbst. Deutschland engagiert sich, um Bedingungen der Menschen durch wirtschaftlichen Austausch zwischen Deutschland und Russland voranzubringen. Die Wirtschaft aus beiden Ländern kooperiert dort, wo sie glaubt, erfolgreich sein zu können. Und wenn sie dieses Ziel verwirklicht, dann ist schon viel erreicht.

Herr Schmid, vielen Dank für das Gespräch.

Erschienen in: Ihre Zeitung/Asowo

Von links nach rechts: Generalkonsul Michael Kanzler, Landrat Bruno Reiter, Botschafter Walter Jürgen Schmid

Written by Christina

April 25th, 2008 at 10:45 am

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