Stimmungsschwankungen

“Well, what if there is no tomorrow? There wasn’t one today.”

Goodbye my love

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See you in hell

Ich habe ihn verlassen. Habe Hals über Kopf meine Sachen gepackt, die Tür hinter mir geschlossen und bin gegangen. Lena hat dann den endgültigen Schlussstrich für mich gezogen. „Ich hab Christina mitgenommen“, sagt sie in mein Telefon. Am anderen Ende: hemmungsloses Schluchzen.

Ich glaube, Wladimir hat geweint. Ich konnte zwar nichts hören, aber die Vorstellung gefällt mir: Wladimir, der Besoffene – russischer Mann mit schlechter Haut und schwarzer Seele, mein Vermieter bis vor kurzem – heult sich die Seele aus dem Leib, weil ich ausgezogen bin.

Dabei sah es anfangs so gut aus. Immerhin ein halbes Jahr haben wir es miteinander ausgehalten. Klar, es gab hin und wieder Meinungsverschiedenheiten. Zum Beispiel kurz vor Weihnachten, als er zwar ohne Geschenke aber mit einem langen Wunschzettel vor der Tür stand. „Christinotschka, wir sollten Wein trinken gehen“, las er mir daraus vor. Und: „Christinotschka, wir sollten abends mal was miteinander unternehmen“ und „Christinotschka, wenn du das nicht möchtest, will ich mehr Geld von dir. Ich kann hier jede haben“.

Mir wehte plötzlich ein scharfer Wind um die Nase, der den sanften Hauch von Moschus, Wodka und Russkij Stil in sich trug. Mein Kühlschrank brummte unwillig aber leise, schließlich gehörte er dem schwarzen Mann. Die Heizung tropfte wehmütig aufs Linoleum. Und der Wind, der durch die Spalten in den Fensterrahmen zog, machte die Ketten an der Lampe leise klimpern. Der Sessel entledigte sich im feinsten Harakiri seiner Rückwand und offenbarte das Innere seines Bauches. Da war aber nichts.

Ich stellte mir vor, wie es wäre, würde ich mit dem Brotmesser ein kleines Rechteck aus der schmutzigen Brust meines Vermieters sägen. Ich gab den Gedanken auf. Vermutlich würde ich am austretenden Schwefeldunst ersticken.

Wladimir der Besoffene und ich einigten uns. Wir setzten einen Vertrag auf. Und ich denke, das war der Punkt, an dem unser Verhältnis zu zerbröseln begann wie der Putz neben dem Küchenfenster.

Drei Monate lang ließ er nichts von sich hören. In der Küche stapelten sich die Rechnungen. Manchmal flackerte das Licht. Manchmal wurde es warm. Mein Nachbar brüllte mich an, weil er dachte, dann verstehe ich ihn besser. Er brachte mir auch bei, wie ich die Zwischentür leise zu schließen hatte. Mein Leben war erfüllt.

Dann stand er wieder vor der Tür. „Christinotschka“, sagte Wladimir und atmete schwer aus dem roten Kopf. „Alles ist teurer geworden in Russland, lass uns was trinken gehen.“ Dann klingelte sein Telefon.

Es hätte mir klar sein sollen, dass Aushilfsteufel auch Drachen zur Seite gestellt bekommen. „Mehr, mehr, mehr“, fauchte seiner so laut ins Telefon, dass ich Angst hatte, gleich kommt eine Stichflamme aus dem Hörer. „Aber der Vetrag“, sagte ich noch. „Wir sind in Russland“, sagte der kleine schwarze Mann. Dann ging er.

Ich zog um. Lena zog den Schlussstrich für mich. In dieser Nacht rief mich Wladimir der Besoffene noch einmal an. Ich nahm nicht ab. Nach drei weiteren Anrufen bat er mich, zurück zu kommen.

Wir haben uns noch einmal gesehen, um alte Rechnungen zu begleichen. Seine Hand zitterte unmerklich, als er mir Wechselgeld gab. „Christina, und sonst gehts Ihnen gut“, fragte er mich. „Besser denn je“, sagte ich.

Written by Christina

März 19th, 2008 at 10:38 am

2 Responses to 'Goodbye my love'

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  1. Hallo Christina! Nicht schlecht, die Sitten in Omsk. Aber dieser magische Satz „Wir sind hier in Russland“ wehte uns auch schon öfters entgegen.
    Auch andere Aussagen, wie z.B. „Die Lieferung kommt nächste Woche. Ja aber weißt du Claudia, eine russische Woche kann manchmal seeeehr lang sein“
    Und sowas muß sich eine verwöhnte, an Zucht und Ordnung gewöhnte, deutsche Seele antun. nee nee nee…
    Der Erziehungseffekt im Ausland ist echt enorm 🙂

    Ich wünsch dir frohe Ostern!
    lg claudi

    Claudia

    20 Mrz 08 at 14:29

  2. Hallo Claudia,
    ich stimme dir in allem zu. Absolut. Der positive Nebeneffekt: Man lernt, zu entspannen, weil man sowieso nichts dagegen machen kann. Ich bin mittlerweile ja sowas von cool geworden 😉

    Dir auch frohe Ostern. Wegen des Besuchs schicke ich dir demnächst mal ne Mail.

    Viele Grüße,

    Christina.

    Christina

    20 Mrz 08 at 15:05

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